Journal
Jacques Offenbach hätte sich bei diesem „Orpheus“ amüsiert
Der Dirigent Alexander Joel erweckt an der Wiener Volksoper den humorvollen Geist und die vielschichtige Musik dieser Operette. Über seine Beziehung zu Wien und seine bewegte Jugend erzählt er im
Gespräch mit Marta S. Halpert
Wina: Sie haben für die musikalische Leitung der Neueinstudierung von Orpheus in der Unterwelt ausgezeichnete Kritiken eingeheimst. Da hieß es u.a.
„…Souverän lässt Alexander Joel Offenbach swingen, grelle Klangpointen knallen und feine lyrische Momente schmelzen…” oder …“das Lob geht an das Orchester und den Dirigenten Alexander Joel, die diese Musik nicht nur “dreschen” (außer es ist vorgesehen), sondern auch geradezu zärtlich umschmeicheln, liebevoll die Melodien schmalzen lassen, akzentuiert die Frechheit ausspielen - denn wenn Musik ‚frech’ sein kann, dann bei Offenbach.” Zuletzt war dies über die Volksoper nicht oft zu lesen. Liegt Ihnen die Musik Offenbachs besonders gut?
AJ: Vielleicht, jedenfalls bescherte mir mein erstes Orpheus-Dirigat 1997 am Stadttheater Baden ein prägendes Erlebnis, weil es damals auch so eine witzige Produktion von Tamas Ferkai war. Ich habe in meiner Zeit in Baden auch den Dirigenten und Operetten Spezialisten Prof.Franz Bauer-Theussl für 2 Produktionen assistiert, habe ihn bewundert und interpretatorisch und dirigentisch sehr viel über das Genre Operette gelernt. Offenbach hatte diesen trockenen jüdischen Humor, der zu einer Wiener Operette gehört, ebenso wie der hiesige Schmäh oder der französische Sarkasmus. Seine Musik verlangt nach guten Inszenierungen, deshalb ging er auch pleite, weil er sein ganzes Geld in sein Theater für teuere Produktionen und Bühnenbilder ausgegeben hat, um starke Bilder und Effekte zu erzeugen. Das ist uns jetzt an der Volksoper auch gut gelungen, weil die Regie für dieses komödiantische Meisterwerk von Spymonkey betreut wurde, dem führenden britischen Ensemble für Physical-Comedy: Sie sind die Monty Pythons des 21. Jahrhunderts.
Wina: Sie haben bereits zu Beginn Ihrer Karriere Opern von Offenbach dirigiert. Welche und wo?
AJ: Ja, und das mit großer Freude, wie z.B. Hofmanns Erzählungen in Klagenfurt und an der Volksoper im Jahr 2019. Das Stadttheater in Klagenfurt leitete damals Dietmar Pfleger (1992-2007) und bei ihm durfte ich auch die Operette Die Schöne Helena als Premiere einstudieren. Er hat mich sehr gefördert: Er hat Hans Landesmann, der bereits Konzert-Chef bei den Salzburger Festspielen war, eingeladen, damit er mich bei La Traviata hört. Landesmann hat mich dann an Direktor Dominique Mentha empfohlen, der 1999 gerade als Direktor Wiener Volksoper nominiert war. Mentha bat mich umgehend, die Eröffnungsvorstellung seiner Ära, Wiener Blut, zu dirigieren.
Wina: Obwohl Sie Opern von Verdi, Puccini, Mozart und Wagner weltweit dirigiert haben, sind Sie trotzdem der Operette treu geblieben. Ist die Operette heute überhaupt noch „cool“?
AJ: Ganz sicher, wenn man es richtig macht! Es ist wirklich schade, dass es bezüglich der Operette einen ziemlich ausgeprägten Snobismus gibt. Natürlich ging die goldene Ära dieses Genres mit Offenbach, Strauß, Millöcker zu Ende; die silberne Periode - vor allem mit Revue-Operette - wurde schon in Berlin abgefeiert, weil die meisten Talentierten nach Amerika emigrieren mussten. Während dort bald das Musical Erfolge feierte, entstand im Dritten Reich die „Heimat-Operette“, die nur schöne Mädels und glückliche Liebespaare zeigte, als ob es keinen Krieg gäbe.
Wina: Warum glauben Sie, haben Offenbachs Operetten überlebt?
AJ: Weil seine Melodien im Kopf bleiben, nicht kompliziert, aber äusserst wirkungsvoll sind. Operette ohne Juden, wenn ich das so salopp sagen darf, ist eine andere Art von Humor. Es ist nicht verwunderlich, dass Offenbach sich in Wien und Paris durchgesetzt hat, weil sein Humor verstanden wurde, aber in Deutschland fast nicht. Manche reklamieren zwar den „typisch Kölner Humor“ für ihn, aber das ist einfach falsch, sein geistvoller Witz hat gar nichts mit Karneval zu tun.
Wina: Sie wurden 1971 in London geboren, 1976 übersiedelte ihre Familie nach Wien. Mit fünf Jahren haben Sie bereits Bizet’s Carmen an der Staatsoper gehört und gesehen. Wurden Sie damals für die Musik oder auch schon für die Oper gewonnen?
AJ: Mein Vater war ein sehr guter Pianist, vielleicht hätte er diese Karriere eingeschlagen, wenn er nicht vor den Nazis hätte fliehen müssen. Er hat mich viel öfter in die Oper als ins Konzert geführt. Das ist auch viel besser für kleinere Kinder, denn die wollen etwas sehen auf der Bühne, also Action! Ich hatte den Luxus, gut vorbereitet in die Oper zu gehen, weil er mir am Klavier alles vorgespielt und auch die Inhalte als Geschichten erzählt hatte. Aber als meine Familie nach Kuba geflohen ist, hat er mit 15 begonnen Elektrotechnik zu studieren, um die Familie zu erhalten. Auf der Universität hat er mit Fidel Castro Schach gespielt.
Wina: Sie haben in Wien Klavier und Komposition an der Musikhochschule Wien, Dirigieren am Konservatorium der Stadt Wien und Ihren Abschluss 1996 mit Auszeichnung gemacht. Warum kommt ein gebürtiger Londoner nach Wien zum Studieren?
AJ: Nach dem Abenteuer Kuba durfte meine Familie in die USA, mein Vater arbeitete für die US-Firma General Electric und war in einigen europäischen Städten aktiv. Ab 1976 baute er dann in Wien das Geschäft mit Osteuropa auf. So war ich eine zeitlang im Lycée Francais in Wien und fühlte mich sehr wohl, dann mussten wir wegen der Firma wieder nach London. Ich war traumatisiert, denn ich wollte von Wien nicht weg. Schließlich landete ich in einem Internat in der Schweiz. In Wien fühle ich mich sehr wohl, hier lebe ich mit meiner Frau Hayoung Lee Joel, die Sopranistin ist und unserer acht jährigen Tochter Carla.
Ich möchte meinen deutschen Pass zurückgeben und Österreicher werden, denn ich bin hier neben einem Heurigen aufgewachsen und habe diese Lieder im Ohr und ich mag den Spirit und die Atmosphäre der Wiener Operette. Schließlich habe ich einen englischen, jüdischen und wienerischen Humor, das ist der schwärzeste von allen!
Wina: Diesen Humor brauchten Sie sicher auch, als Sie 2016/17 die musikalische Leitung von Wagners Ring des Nibelungen am Hessischen Staatstheater Wiesbaden unter der Regie von Uwe Eric Laufenberg verantworteten. Da kam es ja zu einem Wagner-Marathon mit zwei Gesamtzyklen des Rings?
AJ: Richard Wagner dirigiere ich gerne, aber während der Schlussproben zum Orpheus in Wien musste ich gleichzeitig mit Tristan und Isolde anfangen - und das ist ein krasser Bruch. Denn Wagner war ein humorloser Mensch, und alles andere als demütig. Seine Werke haben keine Leichtigkeit, weil alles mit Bedeutung überladen ist. Seine Kompositionskultur ist interessant und revolutionär, aber bei Giacomo Puccini fühle ich mich wohl und aufgehoben. Klar ist, es gibt keinen Dirigenten der Puccini, Mozart, Wagner oder eine Barockoper gleich gut dirigiert, es gibt immer eine gefühlt persönlichere Beziehung zu einem Komponisten.
Wina: Das fixe Angebot an die Volksoper kam von Direktorin Lotte de Beer. Was sind Ihre nächsten Pläne?
AJ: Ich kannte Lotte von Braunschweig, wo ich Generalmusikdirektor des Staatstheaters war, Lotte inszenierte dort Mozarts Cosi fan tutte. Wir haben uns sofort gut verstanden. Im März dirigiere ich hier die Wiederaufnahme von La Traviata, in einer sehr schönen Inszenierung von Hans Gratzer. Im April bin ich am Zürcher Opernhaus für eine Serie von Léo Delibes Oper Lakmé. In der nächsten Saison gastiere ich dann an der Welsh Opera und in Covent Garden sowie an der Vlaamse Opera in Antwerpen.
Tipp der Verfasserin: Beate Thalberg, Redakteurin beim ORF, drehte unter dem Titel Die Akte Joel einen Film, der die Geschichte zweier Familien in Nazi-Deutschland dokumentiert: Wie aus dem Versandhandel Joel, den der Großvater von Alexander und Billy Joel gegründet hatte, das Unternehmen Neckermann wurde. Eine mehrfach preisgekrönte Dokumentation über diese prototypische Arisierung auf youtube: https://youtu.be/qE-_rpjmEFE
https://www.wina-magazin.at/jacques-offenbach-haette-sich-bei-diesem-orpheus-amuesiert/
Joel kann auf einen reichen Erfahrungsschatz verweisen, was Verdi betrifft, selbst wenn er neben seinen Steckenpferden Puccini und Verdi auch sehr gerne Wagner und Strauss dirigiert. Der Maestro, der in Wien studierte, dessen Karriere an den Stadttheatern Baden und Klagenfurt begann und ihn über die Volksoper an die Deutsche Oper am Rhein, nach Braunschweig und als Gast an die Semperoper, die Deutsche Oper Berlin, das Opernhaus Zürich, die Boston Lyric Opera und viele mehr sowie als erster Gastdirigent an die Vlaamse Opera Antwerpen und Gent führte, hat in den vergangenen Jahren fast alle Verdi-Opern aus der mittleren und späten Periode dirigiert. „Man verfeinert durchaus die Interpretation der einen durch das Dirigat der anderen Oper, weil man dann erst versteht, wie Verdi sich entwickelt hat“, sagt Joel. Seine Art Verdi zu interpretieren beschreibt er als „knackig, ohne zu hart zu sein, und fließend, ohne zu hektisch zu werden“. Ihm geht es vor allem darum, die unterschiedlichen Farben der Oper hervor zu streichen und viel Esprit in das Dirigat legen.
Als Solisten stehen ihm bei der Volksopern-Wiederaufnahme einige Sänger zur Seite, mit denen er schon gearbeitet hat. In der Titelrolle treten zwei Baritone alternierend auf und geben damit ihr Hausdebüt an der Wiener Volksoper: Boris Statsenko und Vladimir Stoyanov. Statsenko war früher Ensemblemitglied des Bolshoi Theaters in Moskau, zuletzt gehörte er dem Ensemble der Deutschen Oper am Rhein an, wo er unter anderem „Rigoletto“ mit Joel erarbeitete. Stoyanov hat bereits am Royal Opera House London, dem Bolshoi Theater Moskau, dem Teatro Real in Madrid, der Bayerischen Staatsoper München und anderen gesungen und war ebenfalls bereits mehrfach – darunter in Bologna, Rom und Bregenz - als „Rigoletto“ zu sehen. „Beide haben eine wirklich herrliche Verdi-Stimme mit großem Volumen und unangestrengten Höhen, wie es unter Baritonen selten ist.“ Auch als Duca stellt sich ein Sänger erstmals dem Volksopern-Publikum vor, Pavel Valuzhin gab den Herzog schon an der Deutschen Oper Berlin und am Teatro Colón in Buenos Aires, auf der Seebühne in Bregenz und an der Staatsoper Stuttgart, wo er im Ensemble ist. Als Gilda wird Volksopern-Ensemblemitglied Rebecca Nelsen zu sehen sein, als Sparafucile Stefan Cerny. Annely Peebo gibt Maddalena.
Dass diesmal – anders als bei der Premiere dieser Produktion 2009 – auf Italienisch gesungen wird, erleichtert das Engagement internationaler Künstler. „Ich schätze sowohl Aufführungen in der Landessprache als auch solche in der Originalsprache, alles hat seine Vor- und Nachteile“, sagt Joel. „Aber wer Topsänger holen will, muss `Rigoletto` auf Italienisch machen.“
Joel freut sich, dass ihm diesmal an der Volksoper, wo er in der Ära Mentha schon „Wiener Blut“, „Der Vogelhändler“, „Die Fledermaus“, „La Bohème“ sowie in den vergangenen Jahren „La Traviata“ und „Hoffmanns Erzählungen“ sowie eine Japan-Tournee dirigierte, vier Wochen Proben zur Verfügung stehen – auch „um das Dirigat ganz genau mit der Inszenierung zu timen und den Fluss der Inszenierung mitspüren zu können.“ Auf „Rigoletto“ folgt für Joel im Frühjahr neben „Die Lustige Witwe“ an der Volksoper und „La Bohème“ an der Komischen Oper Berlin „Il Trovatore“ am Staatstheater Wiesbaden, wodurch der Dirigent Verdis Spiel mit Motiven und Farben weiter verfolgen kann.
Deux opéras véristes à l’ODN
Cavalleria rusticana et I pagliacci sont des inséparables.
Le premier est l’œuvre la plus célèbre de Pietro Mascagni et présente un
constat simple : la jalousie mène au meurtre. Le deuxième nous a été donné
par Ruggero Leoncavallo et, alors que l’intrigue est quelque peu plus complexe,
le résultat est le même. Si les deux opéras se ressemblent, c’est qu’ils font
tous deux partie de l’opéra vériste, né en Italie à la fin du XIXe siècle. Ce
courant s’attache à la présentation d’histoires communes et réalistes tout en
faisant de ses personnages des gens ordinaires. I pagliacci serait même directement inspiré d’un fait divers... Créés
à seulement deux ans d’écart (1890 et 1892), les deux opéras ont été rapprochés
définitivement par une soirée de 1895 au Metropolitan Opera de New-York où ils
sont présentés bout-à-bout car aucun n’est assez long pour remplir une soirée
entière. « Cav and Pag » ne devront plus jamais se quitter.
Le Grand Théâtre de
Genève ne déroge pas à la tradition et propose Cavalleria rusticana et I
pagliacci comme un seul homme jusqu’au 29 mars à l’Opéra des Nations. Les
musiciens de l’Orchestre de la Suisse romande, sous la baguette du chef
d’orchestre anglo-allemand Alexander Joel, éveilleront les violents passions de
l’amour. Interview du Maestro.
Ce n’est pas la première fois que vous passez par le Grand Théâtre
de Genève. On se souvient notamment de Rigoletto en 2014. Que représente cette
ville de Genève pour vous ?
J’ai toujours
énormément de plaisir à revenir à Genève. Le Grand Théâtre est une grande et
belle institution qui présente toujours des cast
magnifiques. Leur chœur est excellent et l’Orchestre de la Suisse romande est
l’un des meilleurs au monde. Il se trouve que j’ai passé une partie de mon
enfance à Rolle et j’ai donc beaucoup d’amis ici que je profite de voir. J’adore
la Suisse et ses montagnes ainsi que le lac mais aussi les gens d’ici.
Comment se construit la relation d’un chef d’orchestre à un
orchestre ?
La relation entre
le chef et l’orchestre est primordiale et toujours particulière car chaque
orchestre a sa propre personnalité et attend des choses précises et différentes
de son chef d’orchestre. Certains souhaitent le voir sévère et sérieux alors
que d’autres le préfèrent sympathique ou même qu’il fasse preuve d’humour et de
légèreté. Cela dépend bien sûr de la personnalité du chef. L’orchestre et le
chef sont des partenaires, et, comme dans toute relation, l’alchimie est
importante.
Cavalleria rusticana et I pagliacci ont été
rassemblé par un hasard de programmation. Mais qu’ont-ils en commun ?
Ce sont les deux opéras
véristes les plus connus au monde. On trouve dans chacun le thème de la
jalousie qui intervient de manière prépondérante. C’est en fait la passion qui devient
jalousie pour devenir quelque chose de plus violent encore : le meurtre.
La logique qui régit les émotions est donc la même.
Quelles autres émotions sont mises en jeu dans ces opéras ?
Les deux
compositeurs utilisent le système de leitmotiv
de Wagner. Au-delà de la jalousie il y a encore bien d’autres thèmes présents
dans ces pièces, toujours dans le registre des émotions fortes. L’amour bien
sûr, qui, de passionnel devient violent. Mais dans Cavalleria il y a aussi par
exemple une grande scène de chœur qui célèbre la religion, on y entend
notamment un orgue. Il y a un sentiment très fort de ferveur religieuse dans ce
morceau particulier.
Les deux histoires se passent en Italie, il y a d’ailleurs plusieurs
allusions aux chants italiens…
Oui par exemple la Sicilienne chantée par Turriddu dans Cavalleria rusticana qui se passe en
Sicile bien sûr. C’est tout au début, après quelques mesures seulement. Turriddu
y chante son amour pour Lola et ce morceau nous prépare au drame de la jalousie
qui suivra. Cet opéra est devenu encore plus connu avec la sortie du film Le Parrain 3 de Francis Ford Coppola de
1990. On y voit une représentation de Cavalleria
rusticana à Palerme.
Cavalleria rusticana comprend un intermezzo, comment est-il construit ?
Il y a plusieurs
éléments intéressants dans ce morceau. Il commence par l’évocation de quelque
chose de très pur. Ensuite, une grande mélodie occupe la deuxième partie et est
accompagnée de la harpe et de l’orgue. On retrouve donc l’élément religieux qui
est représenté par l’orgue qu’on a entendu auparavant. Cet intermezzo anticipe
la mort de Turridu est en cela il est sombre. Mais ce côté religieux reste dans
l’air.
Que dire de Vesta la giubba
(l’air de la veste) de Canio dans I
pagliacci, qui a notamment été interprété par Enrico Caruso ?
Cet aria est très célèbre. Ce qui est étonnant
est qu’il s’agit en fait d’une seule phrase, qui est si bien tissée que l’aria est devenu un succès. C’est un air
passionné, ce qui fait qu’il entre directement dans le cœur et dans les
émotions. C’est un peu comme l’air de Cavaradossi dans Tosca ; une phrase
de quarante secondes que tout le monde connait. Il faut aussi mettre en avant
le côté tragique de ce personnage de Canio qui est forcé de continuer à jouer
la comédie dans une situation tellement difficile pour lui. Il doit jouer son
rôle de Paillasse alors qu’il vient de découvrir l’infidélité de son épouse. C’est
une situation semblable à celle de Rigoletto dans un sens, lequel est forcé de
retourner au travail faire rire les gens alors que sa fille a été enlevée.
C’est un déchirement pour le public.
Ces deux opéras font partie des classiques de l’opéra vériste. En
quoi cela consiste-t-il ?
Jusqu’à la période
vériste, c’est-à-dire la fin du XIXe siècle, les personnages d’opéra
étaient toujours des rois, des ducs, etc. L’opéra était une affaire de classe
dirigeante et noble. Le mouvement vériste souhaitait retourner cet état de fait
et s’intéresser à des gens ordinaires et même pauvres et exposer leurs
émotions. Le vérisme se situe donc dans un intérêt social pour des
« tranches de vie ». La littérature a fait le même chemin d’ailleurs.
Ainsi, La Bohème peut être considéré
comme un opéra vériste en un sens. Puccini a continué dans cette ligne – pas
dans tout ce qu’il a fait – dans le sens où il avait toujours les émotions des
personnages en tête, c’était le plus important. Le mouvement a pris de l’ampleur
jusqu’en 1930 environ. Cavalleria
rusticana et I pagliacci sont
parmi les premiers, ils datent de 1890 et 1892 respectivement. Le but était que
la musique nous touche au cœur, on visait l’émotion de la musique et pas l’intellectualisme
de la musique.
Propos recueillis
par Jessica Mondego
http://www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?rubrik=9108
by Yehuda Shapiro
www.opera.co.uk
Joel conducts a new ‘Don Giovanni\' at
Vlaamse Opera this month
The spring of 2014 ushers in a new phase in the life of the conductor Alexander Joel. British-born, he has made his base in Austria and Germany, and after seven seasons as Generalmusikdirektor at Braunschweig he bade farewell to the Saxon city on Good Friday—with Parsifal. This month he is in Belgium for a new Don Giovanni, having previously collaborated with the Vlaamse Opera on Don Carlos (the famous ‘Eboli’s dream\' production by Konwitschny), La forza del destino (in the original St Petersburg edition) and Die Frau ohne Schalten. Next season brings Rigoletto in Geneva, Die Zauberflöte in Stockholm, and, in Hamburg and at the Vienna Volksoper, La Traviata. In June 2015 Verdi’s fallen woman brings him back to the Royal Opera House, and he stays on into July to lead further performances of La Boheme The latter opera marked his debut with the company early last year, when his lithe, acute response to the score rejuvenated a venerable if expertly executed production (in fact, with the upcoming 2015 performances he will become the last person to conduct John Copley \'s four-decade-old staging at the house). For him, returning to his native city and working with the orchestra at Covent Garden — whose sound and consistency he describes as ‘heaven’—was ‘the experience of a lifetime\'.
Braunschweig’s Staatstheater is a Dreispartenhaus, hosting dance and drama in addition to opera. ‘I believe in the German system,’ says Joel. I’ve been in it most of my professional life. When 1 took up the post in Braunschweig, my aim was to build an ensemble and to build quality We brought in some new, younger singers to join the company, and in live first instance the focus was on Mozart and the Italian repertoire 1 started with Ia Boheme, an ensemble piece and still my favourite opera to conduct—I’ve now done it 85 times—and lots of other Puccini, Rossini and Verdi. The plan was to move on later to Wagner and Strauss, which I did with Salome, Lohengrin, Tristan and Parsifal. The ensemble in Braunschweig is international, with singers from Germany, Russia, Lithuania, Turkey, Israel and Korea, and for a piece like Tristan we brought in guest artists for the leading roles [in that particular case John Uhlenhopp and Silvana Dussmann], At a Dreispartenhaus the singers of the ensemble are not overworked, so they really have the opportunity to develop. And they are also able to be settled and have a family life.’
Joel’s final concert in Braunschweig was of Mahler’s Ninth Symphony, \'Part of the role of the Generalmusikdirektor is to train the orchestra,’ he explains, using the more resonant German word erziehen to bring the point home. ‘You have to nail things down, to fine-tune the engine so that it sounds the way you want it and runs the way you want it to run. You need to be clear and logical in your conducting, so that there are no doubts about what you mean and so that everyone can follow you. But the most important thing is to be able to conduct in an organic way—and there’s no better place to learn to conduct organically than in a German repertoire house.’ He refers to his time as First Kapellmeister at the Deutsche Oper am Rhein in Düsseldorf—a post held in the past by both Carlos Kleiber and Christian Thielemann: I was sometimes expected to take over a performance with no rehearsal. In a situation like that, it’s no good just being nervous and hoping it will work. A Kapellmeister is formed by learning how to perform without rehearsal —which really teaches you how to conduct opera. You have to start off as a pianist and coach and work up the system, eventually taking over performances with no rehearsal and making them work. That’s when you really feel just how organic things have to be—where you need to breathe with the singers, where to tweak the tempo—all the tiny little things that are so important. There are still a lot of opera houses in Germany where you can follow this path. ’
If, for the English-speaking reader, the word ‘Kapellmeister’ tends to evoke a sternfaced Johann Sebastian Bach, Alexander Joel, now in his early 40s, is a communicative, infectiously enthusiastic man, a thoughtful and scrupulous musician who also likes to draw colourful analogies between the worlds of opera and football (he is a fan of Manchester United). The son of a British mother and a German-Jewish father, he grew up in London and went to boarding school in Switzerland. (His older half-brother is the American singer-songwriter Billy Joel.) He initially studied English and French Law at King’s College London—situated, perhaps significantly, just round the corner from the Royal Opera House. ‘After a few weeks of studying law, I realized I wanted to become a musician. My tutors were very understanding about it. After they’d heard me play a piano recital at St Clement Danes Church, they granted me leave of absence, and I gave myself a year to prepare to get on a conducting course.’ At that point his parents were living in Vienna (where he now has a home) and he gained a place at the city’s Akademie to study piano, then going on to the conducting class at the Konservatorium, where his teachers were Reinhard Schwarz and Georg Mark.
He made his operatic debut with Die Fledermaus in Nuremberg (his grandfather’s home town) in 1995, when he was 24 and still a student, and, after acting as assistant to a number of conductors (including Julius Rudel), he took up his first Kapellmeister position in the Austrian spa town of Baden bei Wien. Operetta was the order of the day, and he learned his craft from a master of the genre, the conductor Franz Bauer-Theussl, once a pupil of Clemens Krauss. ‘I’ve discovered over the years that, in some ways. Die lustige Witwe is harder to bring off than Die Frau ohne Schatten,’ says Joel. ‘At Baden I had to coach the chorus for several hours a day for 18 months, and also work with the corps de ballet, which is very different from working with singers. With dancers, the rhythm needs to be regular, but with singers you need to be able to breathe, to change the pulse when necessary.’
In the late 1990s he took up a position at Klagenfurt (where the singers included a young Jonas Kaufmann) and spent a year on contract at the Vienna Volksoper, going on to work there for a further three years. It was, however, during his time in Düsseldorf (2001 -7) that he really gained his spurs. ‘I covered the entire core repertoire in Düsseldorf, working on more than 35 operas a year with a company of 65 singers, including people who were also performing at Bayreuth and other major houses. After four years there I got the offer from Braunschweig, and when the time came to move on, I felt I had learned what I needed to learn.’ Now, with this training behind him and with 75 operas in his repertoire (including 13 of the Verdi canon), he has a career that has taken him to Berlin, Munich, Frankfurt, Cologne, Parma, Copenhagen, Helsinki, Santiago and Tokyo.
‘The essence of a conductor’s craft is to keep it all together,’ he says. ‘You need to find a tempo that feels right for the music and for the singer. If you speed up or slow down, it needs to feel natural—almost as if you’re not there. That’s what I mean by “organic”. When I saw Kleiber conduct Der Rosenkavalier, it felt as if it could only be done that way. You need to give the singers a tempo and a structure, so that they can relax and sing to the best of their ability. You also need to develop an instinct for what’s going on in a singer’s head. It’s vital to breathe with them, to understand where they need a little more time before a high note, or if they’re having trouble with a phrase. You also need to understand that they have their idiosyncrasies, and that a heavier voice will often sound better at a slower tempo than a lighter voice. Even by working with a singer for just ten minutes I can gain an understanding of how they breathe and the pacing that they want, of whether they’re a singer who follows or who needs to be led—and also of their musical ideas and how you can adapt to them. A singer isn’t comfortable if you just follow them, but you mustn’t dictate to them either... You must lead without letting the singer know you are leading. All these things will be going through your head at every beat of an opera It’s very alive. The real art lies in making it gel.
‘No matter how many times you’ve conducted a piece, it’s important to keep working on it each time you rehearse and perform it ... to look at it from different angles and to cut out options—for instance, by narrowing down to the tempo that accommodates what the singers and players are doing, and by knowing where to put in a rubato. With Boheme, for instance, I can explain why I do each bar the way I do.
‘Some conductors accompany, and others say, “I want it like this”. The truth lies somewhere between. When you’re rehearsing for an orchestral concert, you need to make your mark with the musicians within 20 minutes. With opera, it’s a very different, slower process. People are generally extremely professional, but sometimes there can be a certain amount of drama. Just occasionally it can get a bit like Ariadne auf Naxos and you might need to do a little pampering
The conductor’s adoptive artistic homeland is, of course, the home of Regietheater— so how does he feel about the dominant role that the director has come to assume, particularly in the eyes of the critics? ‘The stage director has to know what he wants, and to mould the singers according to what he wants, whether by pushing them gently or taking what they give him and adapting it to his concept. It’s not my job to judge the Regie. My job is to make the music as good as I can make it. If at any point the production is getting in the way of the music—if the singers are too far upstage, for example—you talk to the director about it. You have to do what you can to make it work. The audience needs to be able to hear the singers’ performance ... It’s certainly no good if the orchestra is too loud and you can’t hear the voices. If you have big voiced singers in a closed set, you are going to be able to hear them, but if you have an open set and a Strauss-size orchestra, the voices are likely to get lost, no matter who\'s conducting.\'
In a musical world increasingly in thrall to some kind of youth culture—with talented tyros assuming responsibilities traditionally assigned to seasoned maestros— Joel has taken the route that used to be de rigueur for an opera conductor, embedding himself through a series of staff posts in theatres, while also developing a career as a guest conductor in both opera houses and concert halls. ‘I’ve been through the whole system,’ he says. ‘It’s taken time and hard work, and I’ve built a broad repertoire and gained a lot of experience. It\'s important to build a house on solid foundations. Above all, it’s important to be really good at what you do, and to keep developing as a musician and artist. The level of technical complexity of a score is one thing, but making a score work in the theatre is another. Conducting a symphony by Mahler is probably less difficult than conducting La Boheme or Die Fledermaus, I’m not the first conductor to say this, but the real art of conducting lies in conducting opera. ’
Alexander Joel: Die Schicksalsspielzeit
Der Generalmusikdirektor des Staatstheaters Braunschweig, Alexander Joel, ist zunehmend inter national gefragt. Sebastian Barnstorf traf den umtriebigen Dirigenten in seiner aktuellen Wahlheimat.
Die Geschichte Ihrer Familie, zu der auch der US-amerikanische Sänger Billy Joel gehört. Ihr Halbbruder, ist so spannend, dass darüber bereits ein Buch und ein Film entstanden sind. Erzählen Sie uns etwas von dieser Geschichte?
Die Firma meines Großvaters war im Dritten Reich arisiert worden, Es war ein Versandhaus in Nürnberg, das von den Nazis enteignet und von einem später recht bekannten Mann übernommen wurde- Josef Neckermann. Meine Familie ist dann geflüchtet, zunächst nach Kuba, weil sie noch kein Visum für Amerika erhalten halle. Dort hat mein Vater, das muss man sieh einmal vorstellen, mit Fidel Castro Schach gespielt. In den Dreißigerjahren hatte der ja noch Jura studiert; es war also nichts Verwerfliches dabei. Schließlich sind sie in New York angekommen, wo er in einer Theatertruppe aufgetreten ist. Für die Amerikaner ist er dann in den Krieg gezogen - bis nach Deutschland. Er ist sogar bis ins kriegszerstörten Nürnberg zurückgekommen. Auch mein Großvater ist schließlich so in den 19/oer.jahrrn noch wieder nach Nürnberg Zurückgekommen.
Sie selbst sind jetzt seit 2007 GMD in Braunschweig, dazu führen Gastengagements Sie nach Hamburg, Oslo, Dresden und demnächst auch erstmals an das Royal Opera House in London: Wie schaffen Sie es, dies alles unter einen Hut zu bringen?
Das wird in der Tat zunehmend schwerer, aber ich erfülle meinen Vertrag auf Punkt und Komma, mehr noch: Ich habe letztes Jahr doppelt soviel Premieren und Wiederaufnahmen geleitet, wie ich müsste Ich bin sehr viel unterwegs, fahre oft in der Nacht zurück, pendele hin und her. Und das Haus ist, Gott sei Dank flexibel genug, sodass die Termine einigermaßen abgestimmt werden können.
Das traditionsreiche Staatsorchester Braunschweig feiert in diesem Jahr sein 425-jähriges Jubiläum. Was zeichnet für Sie die Arbeit mit diesem Orchester aus?
Es sind sehr nette Menschen m diesem Orchester, die Chemie Stimmt einfach. Die Musiker haben eine unglaubliche Entwicklung gemacht in den letzten fahren. Sie reagieren sehr schnell und mittlerweile kennen sie meine Arbeitsweise, ich muss nicht viel sagen, sie verstehen genau, was ich will. Wir haben sehr viele verschiedene Sachen zusammen erarbeitet, über die erste Mozart-Einstudierung bis hm zu Wagner oder Strauss. Schade ist nur dass sie nicht das gleiche Renommee besitzen wie andere Orchester, die vom Niveau her aber nicht an das Braunschweiger heranreichen. Operndirektoren oder Regisseure von ein wenig größeren Häusern Sind regelmäßig begeistert von der Qualität dieses Orchesters und auch unserer Sänger.
Wenn Sie von guter Zusammenarbeit sprechen: Wie wurden Sie Ihre Arbeitsweise beschreiben?
Es kommt sehr darauf an. wieviel Probenzeit wir haben Für manche Konzerte ist die Probenzeit sehr viel knapper als für andere. Entsprechend kann man mehr oder weniger arbeiten, das ist klar. Zum Beispiel war beim Mozart jetzt sehr spannend, wie mit den stilistischen Dingen umzugehen ist: dass sie weniger Vibrato spielen, oder die Tone kürzer artikulieren. Es hat fl. ganz simpel gesagt, keinen Sinn, über Klang zu reden, wenn die Intonation nicht stimmt, oder über die Atmosphäre, die man schaffen will, wenn nicht wirklich präzise artikuliert wird. Das heißt, man muss einerseits die technische Seite sehr präzise 3ngehen. andererseits darf man aber auch das Musikalische nicht außer Acht lassen. Wenn man zu viel technisch arbeitet, besteht die Gefahr, dass man Verve verliert. die Arbeit zu trocken gerät. Wenn man nur musikalisch arbeitet, stimmt vielleicht der Effekt, aber technisch Stimmt es nicht. Mari muss einen Mittelweg finden und auf Intonation. Artikulation. Präzision genauso Wert legen wie auf Klangfarben und Atmosphäre.
Im Vorfeld der »Tristan«-Premiere im vergangenen Jahr haben Sie erwähnt, dass Sie zuweilen auch gezielt Instrumenten-Gruppen herausnehmen, um mit ihnen einzeln zu arbeiten.
Ja. aber wenn man beispielsweise nur zehn Minuten lang mit einer Gruppe probt und die anderen warten, ist das verschwendete Zeit, leb mache daher geteilte Proben, immer gut eine Stunde lang nur Bläser oder nur Streicher, je nachdem. Dann folgt eine kurze Pause, dann proben alle zusammen und im Anschluss folgen wieder nur Streicher oder nur Bläser, abhängig davon, wer am Anfang dabei war Das heißt, dass jeder der Musiker zweieinhalb Stunden probt- nur ich selbst habe vier Stunden, Das ist eine sehr lohnende, effiziente Art, Nach etwa einer Stunde lässt, wenn man extrem intensiv arbeitet, die Konzentration nach, und deshalb ist es von da an besser, allgemeiner zu proben. Insofern hat man mit dieser Vorgehensweise eigentlich das Maximum an Konzentration und Effizienz erreicht.
Und der role Faden, die Gesamtstruktur, die große Linie?
Das kommt dann von allem. Je nach Stück gibt es sechs bis acht Orchester-Alleinproben ohne Sanger, ohne Bühne. Nur da mache ich diese geteilten Proben Sie haben Recht: |e mehr sich das Ganze figuriert. desto mehr sucht nun dann die größeren Linien. Sie ergeben sich in den Sitzproben zusammen mit den Sängern und in den Bühnen Orchesterproben. Da müssen die Details bereits vorab geklärt worden sein. Wenn man zu viel unterbricht, werden die Sanger irgendwann wahnsinnig. Hier erprobt man darin ohnehin etwas ganz Anderes, sehr Wesentliches: die Balance. Was ist die Oper, wenn man die Sänger nicht hört» Das ist der Alptraum eines Dirigenten: Man arbeitet sich zu Tode, macht es fantastisch, und dann kommt ein akustisch schlechtes Bühnenbild. Die Sänger singen nach hinten, man hört sic nicht und selbst wenn das Orchester eigentlich toll klingt, heißt es am Ende der Dirigent hat die Sanger übertönt.
Sie waren 2001 zunächst t. Kapellmeister an der Deutschen Oper am Rhein, haben sich dann in der Folge ein wirklich breites Repertoire erarbeitet, aber dennoch weckt der Bück auf Ihren Terminkalender ein bisschen den Eindruck, dass Sie das italienische Fach bevorzugen?
Der Eindruck täuscht etwas. Der normale Weg ist ja. dass man als langer Dirigent eigentlich eher wartet, bis man Wagner und Strauss dirigiert. Als Kapellmeister m Düsseldorf habe ich ein bisschen Wagner gemacht, aber es klar, dass das die sogenannten Chefstucke sind. Das hat in Düsseldorf der damalige GMD John Fiore dirigiert. Seit ich nun in Braunschweig GMD bin. kümmere ich mich selbst verstärkt um dieses Repertoire. Am Anfang wollte ich zunächst einmal Stücke machen, die für das Ensemble wichtig sind und wo junge Sänger sieh entwickeln können. Deshalb gab es »La Boheme« gleich zu Beginn. Inzwischen stürze ich mich auf die Wagner- und Straussstueke Diese Saison »Salome«, nächstes Jahr kommt eine weitere große deutsche Oper.
Ein Ensemblemitglied des Hauses, Oleksandr Pushniak, wurde gerade vom Fleck weg für die Rolle des Donner im nächsten Bayreuther »Ring* engagiert. Ist es für Sie ein Problem, dass Braunschweig wnur* als Sprungbett für junge Künstler gesehen wird?
Das ist doch gut! Auch Thomas Blondelle ist zum Beispiel an der Deutschen Oper Berlin engagiert und singt in München, oder Liana Aleksanyan, die nächstes Jahr eine Premiere in Hamburg hat und auch in Stuttgart mit großem Erfolg auftritt. Ich könnte leicht weitermachen...
Man will doch gerade die nehmen, die die Qualität für die ganz großen Hauser haben. die aber noch zwei, drei oder vier Jahre Erfahrung brauchen. Das sind letztendlich die besten Stimmen. Ein wenig bedauerlich ist. dass sich die Qualität unsrer Sanger hier in Braunschweig nicht wirklich herumspricht. Das findet eider relativ wenig Beachtung und wird kaum wahrgenommen.
Warum wird die Reihe der Raritäten und Ausgrabungen selten gespielter Stücke nicht fortgesetzt?
Wir haben in dienern Jahr durch die Barockaufführung des »Saul« von Georg Friedrich Händel die Ausgrabungen ersetzt, weil wir nicht beides machen können. Sie müssen auch auf Stücke schauen, die mehr Anklang finden beim Publikum Es ist aber keineswegs so. dass wir Ausgrabungen gar nicht mehr in den Spielplan nahmen. Wir wollten nur nicht beide Schienen in einem |ahr machen.
Was sind Ihre eigenen Projekte in nächster Zeit?
Zunächst einmal sind das natürlich die Braunschweiger Verpflichtungen; mein Vertrag läuft ja noch bis 2014- Zudem steht aktuell im November die »Butterfly«-Premiere in Hamburg an. auf die ich mich sehr freue, weit ich zu Puccini eine besondere Beziehung und viele seiner Werke sehr oft dirigiert habe. Vincent Boussard fuhrt Regie, Christian Lacroix zeichnet für die Kostüme verantwortlich, bs wird also sicher eine sehr schone Produktion Boussard hätte übrigens hier in Braunschweig vor zwei Jahren »Lady Macbeth« inszenieren sollen, das hatte sich aber zerschlagen. Danach kommt für mich »Die Fledermaus«, für die mich John Fiore eingeladen hat, den ich bestens kenne aus meiner Düsseldorfer Zeit. Jetzt hat er als GMO in Oslo netterweise wieder an mich gedacht. Mit noch einer »Fledermaus« in Dresden komme ich dann auf 16 Vorstellungen in sechs Wochen. Es folgt »Don Carlos« in Hamburg in der Konwitschny Fassung. Das ist eine relativ bekannte Produktion. die ich auch schon in Antwerpen dirigiert habe. Und dann folgt die »Boheme« an Covent Garden, worauf ich mich wirk! ich sehr freue, denn es wird mein Debut dort sein. Irgendwie ist es ein bisschen eine „Schicksalsspielzeit“. drei meiner Lieblingsstücke an großen Häusern. Die »Butterfly« werde ich ja auch noch in Berlin und Genf dirigieren.
Sie hatten eben schon ein Leuchten in den Augen, als Sie von der „Fledermaus“ sprachen. Auch Ihr Vater hat das Werk geliebt...
Er hat das Stück auch dirigiert und in New York m den 30er-Jahren. als er in einer Amateuroperettengruppe gespielt hat, den Frosch gegeben. Dort hat er übrigens auch seine erste Frau kennengelernt. In New York war er auch Assistent von Julius Rudel gewesen.
Für Sie ist das ja durchaus ein Schlüsselwerk.
Es ist das Stück, das mich irgendwie überall hin verfolgt, aber nicht im negativen Sinne: Zunächst einmal war es das allererste Musiktheaterstück, das ich überhaupt gesehen hatte. Meine erste Stelle habe ich in Düsseldorf durch das Vordirigat der »Fledermaus« bekommen; mein professionelles Debüt in Nürnberg war »Die Fledermaus«. d3S Hausdebüt am Nationaltheater München ebenfalls, und auch in Dresden habe ich es dirigiert. In Klagenfurt habe ich in der Fledermausgasse gelebt, dann habe ich in Wien das Stück an der Volksoper eigentlich richtig gelernt - das ist dort so ein bisschen wie »Parsifal« in Bayreuth. Und an meinem allerersten Abend 2007 m Braunschweig in meiner neuen Wohnung kam ich rein und eine Fledermaus flog durch die Wohnung....
MUSIK
PORTRÄT Dirigent Alexander Joel
Weltbürger der Musik
Alexander Joel gilt als einer der international profiliertesten und meistgefragten Dirigenten seiner Generation. Der 40-jährige Generalmusikdirektor in Braunschweig ist Deutschland nicht nur musikalisch eng verbunden. Sein Grossvater Karl Amson Joel gründete 1928 einen Textilversandhan-del in Nürnberg. Infolge der «Arisierungspolitik» musste er sein Unternehmen 1938 aufgeben und emigrieren. Josef Neckermann übernahm die Firma.
VON KATJA BEHLING
Die Musik - insbesondere die deutsche Klassik und die Wiener Operette - bestimmte das Leben von Alexander Joel bereits bevor er überhaupt auf der Welt war. «Die Fledermaus» von Johann Strauss spielt in seiner Familiengeschichte eine fast schicksalhafte Rolle: Alexander Joels Vater Helmut Joel, ein grosser Musikliebhaber, hatte sich zu Beginn der vierziger Jahre in eine junge Frau verliebt, die mit ihm gemeinsam in Operetten-Vorstellungen einer College-Theatergruppe auf der Bühne stand. Dass die Dame seines Herzens wie die Figur aus der «Fledermaus» Rosalind hiess, betrachtete der junge Mann zusätzlich als gutes Zeichen. Seltsamerweise hatten sich schon Rosalinds Eltern einst unter ähnlichen Umständen kennengelernt - bei einer Operettenaufführung in der Royal Albert Hall in London.
Sein Faible für Operetten gab Helmut Joel später auch an seinen Sohn weiter. Alexander, der seine Kindheit grösstenteils in Wien verlebte, besass schon mit neun Jahren einen Klavierauszug der berühmten «Fledermaus». Oft nahmen seine Eltern ihn mit ins Opernhaus. «Ich durfte in der Loge immer vorne sitzen und dem Dirigenten zusehen», erzählt Alexander Joel. Bei seinen ersten eigenen Auftritten als Dirigent sah ihm wiederum eine ältere Dame zu: Einzi Stolz. Sie, seinerzeit eine Nachbarin der Familie Joel, war die Witwe des grossen Operettenkomponisten Robert Stolz, in dessen Karriere die «Fledermaus» ebenfalls eine - die - Schlüsselrolle gespielt hatte.
Im Alter von erst 24 Jahren debütierte Alexander Joel an der Oper in
Nürnberg - mit der «Fledermaus». Im selben Jahr, 1995, trat auch Alexander Joels älterer Halbbruder, der amerikanische Pop-Star Billy Joel, zwei Mal in der ausverkauften Meistersingerhalle in der fränkischen Stadt auf. Diese Konzerte der Joels fanden 50 Jahre nach Kriegsende statt und waren Teil der offiziellen Feierlichkeiten in Nürnberg. Zwölf Jahre später, im Juli 2007, gab Alexander Joel dort ein spektakuläres Open-Air-Konzert, 60000 Menschen hörten zu. Auch dieses Konzert war musikalisch wie historisch von grosser Symbolkraft: Der damals 36-jährige Alexander Joel dirigierte die Nürnberger Philharmoniker, Spielort war der Luitpoldhain, der zum ehemaligen NS-Reichsparteitagsgelände gehört, und dies alles in Nürnberg - der Stadt, aus der die Familie seines Vaters stammt. Und aus der sie nach der NS-Macht-übernahme vertrieben worden war.
Wäschemanufaktur Joel in Nürnberg
Im Jahr 1928 hatte Alexanders Grossvater Karl Amson Joel einen Textilver-sandhandel gegründet (vgl. außau 12/2007). Zehn Jahre später gehörte das Unternehmen bereits zu den Branchenführern in Deutschland. Nachdem 1934 im Parteiorgan «Stürmer» gegen den «Nürnberger Wäschejuden» und «Volksschädling» gehetzt worden war erkannte Karl Joel die Lebensgefahr, in der er sich befand, gerade im seinerzeit besonders rechts-
DER DIRIGENT ALEXANDER JOEL
Kritiker loben die klangschöne und hoch konzentrierte Leistung
lastigen Nürnberg, wo nun bei Reichsparteitagen die Nazis aufmarschierten. Im Frühling 1934 beschloss er, den Betrieb von Berlin aus zu führen. Als 1935 die Nürnberger Gesetze erlassen wurden, spitzte sich die Situation jedoch auch in der Reichshauptstadt dramatisch zu. Im Frühjahr 1938 war die Lage so beängstigend, dass Karl Joel, wollte er nicht die Zwangsschliessung seines Unternehmens riskieren, keinen anderen Ausweg mehr hatte: Er verkaufte seine Firma. Die Wäschemanufaktur, die, je nach Berechnung, geschätzte vier bis zwölf Millionen Reichsmark wert war, wechselte im Juli 1938 für 2,3 Millionen Reichsmark den Besitzer. Der hiess nun Josef Neckermann. Nach Abzug von Verbindlichkeiten und einer Rückstellung wegen eventuell noch ausstehender Forderungen blieb die Summe von 1,14 Millionen Reichsmark übrig, die der 26-jährige Neckermann auf ein Treuhandkonto zu überweisen hatte. Nur sah Karl Joel von diesem Geld nicht einen Pfennig - alle Vermögenswerte des jüdischen Unternehmers wurden von den Nazis beschlagnahmt.
Noch im Sommer 1938 flüchteten die Joels nach Zürich. Doch die Schweiz war nur Zwischenstation. Während Karl und Meta Joel wenig später mit ihrem 15-jährigen Sohn Helmut als Passagiere eines Karibik-Kreuzfahrtschiffs ihre Reise ins Exil antraten und über Kuba schliesslich in die USA emigrierten, machte der junge Geschäftsmann Neckermann eine Karriere, die das Dritte Reich nicht nur überstand - Neckermann lieferte unter anderem Uniformjacken und die Winterausstattung für den Russland-Feldzug -, sondern sich nach dem Weltkrieg zu einem Wirtschaftswunder-Mythos auswuchs. Die österreichische Filmemacherin Beate Thalberg drehte mit «Die Akte Joel» (2001) einen preisgekrönten Dokumentarfilm über dieses Kapitel deutscher Vergangenheit. Sie führte die Enkel Neckermanns und Joels in Wien erstmals zu einem Gespräch zusammen.
Neubeginn im Exil
Karl und Meta Joel verliessen 1939 mit ihrem Sohn in Havanna das Schiff. Im Jahr 1942 war für die Familie der Weg in die USA endlich frei. Karl Amson Joel war nun Anfang fünfzig - und der Neuanfang in New York sehr schwer. Wieder begann er als Unternehmer, diesmal als Produzent von Haarschleifen. Sohn Helmut arbeitete als Botenjunge und machte zudem samstags mit einer Jazz-Band Swing- und Tanzmusik. Er hatte, in klassisch bildungsbürgerlicher Tradition, schon als Kind in Nürnberg das Klavierspielen und später auch Saxophon und Klarinette erlernt. Dies war nun im Exil Gold wert, konnte er damit doch Geld verdienen. Zudem besuchte der junge Mann Abendkurse am City College. Und lernte Rosalind Nyman aus Brooklyn kennen, die ebenfalls aus einer jüdischen Flüchtlingsfamilie stammte. Ihre Eltern waren vor dem Horror des Ersten Weltkrieges aus Grossbritannien in die USA geflohen.
Kurz nachdem er Rosalind kennengelernt hatte wurde Helmut zur US-Army eingezogen. Als Howard Joel, so nun sein amerikanisierter Name, erlebte der 20-jährige Gl ab 1943 den Krieg an der Front in Europa. Zu dem Grauen und der Todesangst auf dem Schlachtfeld kam die Angst, plötzlich im Gefecht seinen engsten Jugendfreund vor sich zu haben. «Mein Vater sagte, er habe immer Angst gehabt, im Kampfeinsatz plötzlich seinem Freund Rudi oder überhaupt jemandem, den erkannte, gegenüberzustehen und auf ihn schiessen zu müssen», erzählt Alexander Joel. Er habe immer über die Köpfe deutscher Soldaten geschossen - es hätte ja Rudi unter ihnen sein können.
Das Kriegsende im Mai 1945 erlebte Helmut Joel in Deutschland. Fortan verfolgten ihn die entsetzlichen Bilder des Konzentrationslagers Dachau, das er mit seiner Einheit befreit hatte. Der 22-Jährige erfuhr, dass ein Teil der Fa-
milie von den Nazis ermordet worden war. Er suchte im zerstörten Nürnberg nach Schulfreunden, ging dorthin, wo wenige Jahre zuvor sein Zuhause und das Versandhaus seiner Eltern gewesen war. Er fand eine ausgebombte Brache vor. Doch so schmerzhaft die Rückkehr in das Land, von dem der Holocaust ausging und das seine Familie verjagt hatte, für ihn auch war, Hassgefühle hegte Helmut Joel nie: «Ich wusste aus eigener Erfahrung, dass nicht alle Deutschen Nazis waren», zitiert Steffen Radlmaier ihn in seinem Buch «Die Joel-Story». Doch es wurde zur ebenso schmerzlichen Gewissheit, dass seine alte Heimat, sein altes Leben für immer verloren war.
Joel gegen Neckermann
Nachdem er im Herbst 1945 in die USA zurückgekehrt war versuchte der erst 22-jährige Kriegsveteran seine furchtbaren Erlebnisse zu verdrängen. Howard Joel schlug eine Laufbahn als Ingenieur im der Fernsehbranche ein und heiratete Rosalind. Im Mai 1949 kam Sohn Billy zur Welt. Ebenfalls um 1949 versuchte Karl Joel von New York aus, in Nachkriegs-Deutschland an sein Geld aus dem Firmenverkauf zu kommen. Der Prozess vor dem Wiedergutmachungsgericht in Nürnberg dauerte acht Jahre und endete mit einem Vergleich. Joel erhielt zwei Millionen Mark. «Ab diesem Zeitpunkt», so Alexander Joel, «konnte mein Großvater gewissermaßen mit dem Kapitel abschließen und nach vorne schauen.» Howard Joel indes, durch die Kriegserfahrung und die erlittenen Verluste zutiefst traumatisiert und von Erinnerungen und Depressionen gequält, trennte sich 1957 von seiner Frau und ging zurück nach Europa. Er war ein Entwurzelter in vielerlei Hinsicht. Auch seinen Vater Hess die Sehnsucht nach der Heimat nie los: Der Versandhausgründer Karl Joel kehrte als Mittsiebziger mit seiner Frau nach Deutschland zurück.
Howard Joel heiratete in Europa seine zweite Frau, eine Engländerin. Im August 1971 wurde Alexander geboren. Erneut versuchte Howard, nun knapp 40 Jahre alt, die Vergangenheit zu vergessen. Zwar erzählte er seinem Sohn Alexander über sein Leben in Amerika. Auch seinen mehr als 20 Jahre älteren Halbbruder Billy lernte Alexander als Kind kennen. Aber über die Geschichte seiner Familie während der NS-Zeit erfuhr Alexander Joel erst Anfang der achtziger Jahre, als er etwa zwölf Jahre alt war.
Die Musik spielte eine zentrale Rolle in der Familie. Der Vater gab seine Liebe zu Beethoven, Brahms und Mozart auch an Alexander weiter. Gleichwohl fand dieser seinen beruflichen Weg in die Musik erst über einen kleinen Umweg. Zwar erkannten und förderten seine Eltern früh seine künstlerischen Ambitionen, er erhielt Klavier- und Geigenunterricht und träumte schon als Kind davon, ein Orchester zu dirigieren. Dennoch studierte Alexander, einem Rat seines Vaters folgend, zunächst Jura. Der 18-Jährige ergatterte einen der wenigen Plätze am renommierten King’s College in London. Allerdings war er damit unglücklich. Gespräche mit seinem Bruder, dem Popstar, bestärkten Alexander in seinem Entschluss: Es zog auch ihn zur Musik.
Über Umwege zur Musik
Ab 1990 studierte Alexander Joel Klavier und Komposition an der Wiener Musikhochschule. Nach Abschluss seines Dirigentenstudiums mit Auszeichnung und als Preisträger beim europäischen Dirigenten-Wettbewerb startete er Mitte der neunziger Jahre seine Karriere. Er profilierte sich mit einem breiten Repertoire an großen Operetten von Offenbach über Kaiman, Lehar und Stolz bis Raymond bevor er sich verstärkt Oper und Konzert zuwandte. Nach ersten Engagements in Baden, Klagenfurt und an der Wiener Volksoper fungierte Joel ab 2001 fünf
Jahre als Erster Kapellmeister an der Deutschen Oper am Rhein, wo er sich ein breites Opernrepertoire erarbeitete. Der 40-Jährige hat etliche renommierte Orchester von Europa bis Asien geleitet, gastiert seit mehr als zehn Jahren regelmäßig in den namhaftesten Opernhäusern der Welt. Doch die Anfangsjahre als junger Dirigent waren mehr als schwierig: Verfügbare Positionen rar, die Konkurrenz erdrückend groß, die Auswahlverfahren hart, die Erwartungen komplex - oft entschieden Glück, Zufall, Begegnungen, Fügungen über den nächsten Schritt. Nachdem Joel 1997 seine erste feste Stelle erkämpft und sich dafür gegen 30 Mitbewerber durchgesetzt hatte erlebte er einen der glücklichsten Momente seines Lebens. Seitdem entwickelt sich die Karriere des Hochtalentierten stetig nach oben. Publikum und Presse waren und sind begeistert, fast durchweg positive Kritiken begleiten die beruflichen und künstlerischen Stationen des Dirigenten, der als einer der besten seiner Generation gilt.
Seit der Spielzeit 2007/2008 ist Alexander Joel Generalmusikdirektor des Orchesters am Staatstheater Braunschweig - als ausdrücklicher Wunschkandidat des Orchesters. Zusätzlich zu seinen dortigen Aufgaben führen ihn weiterhin Gastdirigate an Opernhäuser im In- und Ausland. Im Dezember 2011 erlebte an der Hamburgischen Staatsoper die Wiederaufnahme der von Peter Konwitschny inszenierten Urfassung von Verdis Oper «Don Carlos» unter Alexander Joels Leitung ihre umjubelte Premiere. Kritiker lobten einmal mehr die Interpretationsfähigkeit und das Gespür des ausdrucksstarken Dirigenten, der die Philharmoniker im Orchestergraben zu einer klangschönen, differenzierten und hoch konzentrierten Leistung trieb, der Spannung und Gefühle im Klangkörper zu mobilisieren und auszuloten vermag. Das zeichnet Alexander Joel aus. Er ist charismatisch und feinsinnig, er hat die ausgeprägte Fähigkeit, emotional zu berühren - und sich berühren zu lassen.
Im Februar 2013 wird Alexander Joel mit «La Boheme» am Londoner
Royal Opera House Covent Garden debütieren. Ein ganz besonderes Ereignis für den gebürtigen Londoner und seine britische Mutter Audrey, die zugleich ihren 75. Geburtstag feiern wird. Doch was wie ein weiterer, nur folgerichtiger Schritt in einer geradlinigen Karriere wirkt kam nicht zuletzt durch einen glücklichen Zufall zustande: Nach London eingeladen wurde Joel spontan nach seinem Riesenerfolg in Antwerpen mit dem Stück «Frau ohne Schatten» - und genau für den fraglichen Zeitraum fand sich eine kleine Lücke im vollen Terminkalender des vielbeschäftigten Dirigenten.
In der Spielzeit 2013/14 wird Alex?ander Joel an der Israeli Opera in Tel?Aviv Puccinis «Tosca» dirigieren.?Selbstverständlich ist für den Welt?bürger Alexander Joel, der den briti?schen, deutschen und den amerikani?schen Pass besitzt und in mehreren?Ländern gelebt hat, ein Gastspiel in Is?rael etwas ganz Besonderes, nicht nur?vor dem Hintergrund seiner Familien?geschichte, die zugleich ein Spiegel?bild der Geschichte des 20. Jahrhun?derts ist. Ohne religiöse Erziehung?aufgewachsen, bedeutet Judentum?ihm persönlich vor allem ein Zugehö?rigkeitsgefühl und Wertesystem, das?auf kulturellen Maximen und Traditi?onen - wie der Musik - fußt. Heutige?Generationen macht er nicht für die?Verbrechen der Väter an den Juden?verantwortlich. Es komme aber darauf?an, Lehren aus der NS-Geschichte zu?ziehen und dafür zu sorgen, dass so?etwas nie wieder geschehen kann.?«Das Wichtigste ist, nicht verbittert zu?sein.» Man dürfe Hass keine Chance?geben. «Wichtiger als ein gläubiger?Mensch zu sein ist es, ein anständiger?zu bleiben.» •
Katja Behling ist Journalistin und Publizistin und lebt in Hamburg.